Anlässlich der Ausstellung Meinhard Schultes in der Ehemaligen Synagoge Drensteinfurt 2013
An den Mond
An den Mond, das hört sich an wie ein Briefkopf, wie der Beginn eines Schriftverkehrs mit dem Mond. Wenigstens lässt der Titel eine besondere Beziehung Meinhard Schultes zum Mond vermuten, denn die hier ausgestellten Bilder sind bei Weitem nicht seine einzigen, die sich mit dieser nächtlichen Thematik befassen.
Ein nachtaktiver Maler?
Es scheint mir zumindest bemerkenswert, dass Meinhard Schulte für das malerische Eintauchen in die Nacht ausgerechnet das Licht, in diesem Falle das Mondlicht, als Hauptdarsteller wählt. Oder anders herum gesagt, das sich ein Maler für das Thema Licht die Nacht aussucht.
Das ist so abwegig nicht, denn Licht bedingt nun mal die Dunkelheit und die Dunkelheit das Licht, wie in jedem Ding zugleich sein Gegenteil wohnt. Die Nacht definiert sich über ihre Lichter, der helle, sonnendurchflutete Tag über seine Schatten. Von solchen Widersprüchen oder Ambivalenzen lebt die Kunst, lebt die Malerei.
Wenden wir uns zunächst den beiden Großformaten zu. Gegensätzlicher können malerische Positionen kaum sein, so unterschiedlich wie Tag und Nacht.
Hier die Lichtfülle. Weiß und Gelb – die Farben des Lichtes überstrahlen die Finsternis. Die hellen Farben sind über einen dunklen Hintergrund gelegt.
Da die Dunkelheit. Schwarz und Blau, die Farben der Nacht überwiegen und verdecken das nur vereinzelt und akzentuiert aufblitzende Licht des Untergrundes.
Hier die leichte und luftige Malweise impressionistischer Manier, die das Licht selber meint in seiner energetischen Ausprägung.
Da die sparsame Lichtquelle in der Dunkelheit mit einer mehr oder weniger üppig beleuchteten Szenerie.
Hier ein filigraner, grafisch unterlegter mit dem weichen Pinsel hingewischter nahezu konturloser Farbnebel.
Da eine etwas gröbere stark kontrastierende, mit dem breiten Borstenpinsel kraftvoll und großflächig aufgetragene Malerei, eher das Material Farbe in den Vordergrund stellend.
Hier Acryl.
Da Ölfarbe.
Meinhard Schulte bedient sich beider Malmittel und ist bisweilen hin- und hergerissen zwischen der leuchtenden Brillanz der Ölfarbe und der matten Präsenz von Acryl. Bietet die Ölfarbe eher eine illusionäre Reflektionsfläche so scheint die matte Oberfläche des Acryls den Blick in die Tiefe zu ziehen. Das sind zwei Welten, zum einen das virtuose Spiel an oder mit der Oberfläche zum anderen das Versinken in der Farbe.
Bei aller Verschiedenheit gibt es auch Gemeinsamkeiten. In beiden Bildern, wie übrigens auch in allen andern, wird zweifelsfrei deutlich, dass es sich um das Licht des Mondes handelt.
Licht, Wasser und Luft sind die Protagonisten dieser Ausstellung. Die statisch- geometrische Mondscheibe, das wild bewegte Meer und dramatische Wolkenbildung diese drei Elemente versteht Meinhard Schulte zu Bildern zu organisieren, durchaus romantisch, ohne dass diese zu anheimelnden Mondscheinserenaden verkommen.
Meinhard Schulte liebt den jütländischen Blick von der Küste aufs Meer vornehmlich bei extremen Wetterverhältnissen. Davon hat die Nordsee reichlich, wie diese kleinen aquarellhaften Acrylnotizen belegen. Spontan und vor Ort erstellte Nacht- und Nebelaktionen, flüchtig und mit leichter Hand getuschte Wetterberichte.
Einfache malerische Mittel und sparsame farbige Andeutungen, zuweilen linear gestützt, reichen Meinhard Schulte aus um eine Stimmung, eine Situation, einen Eindruck zu Papier zu bringen. Ein Kringel, eine Wellenlinie, ein Pinselwirbel, ein schnell verstrichener Hintergrund genügen, ein faszinierendes nächtliches Szenario zu entwerfen.
Brandung, schwerer Himmel, Wolkenflug, sturmgepeitschte Nacht, Dunst und Reflexe, Ebbe und Flut. Mond, hoch am Himmel, Mond in Horizontnähe, verdeckt, halb verdeckt, pittoresk aufgelöst. Das Rund des Mondes nimmt die verschiedensten Formen an, von amorph sich ergießenden Lichtschleiern bis zur scharf konturierten Scheibe, von der mannigfach atmosphärisch gebrochenen Lichterscheinung bis zum formlos umwölkten Bildzentrum.
In der Malerei unterscheidet man gewöhnlich zwischen den Erscheinungsfarben, den Farben, die wir objektiv sehen, soweit das möglich ist und den Ausdrucksfarben. Diese resultieren aus den ganz persönlichen und momentanen Be-und Empfindlichkeiten und sind frei erfunden.
Meinhard Schulte bringt da noch eine andere Palette ins Spiel die, ich nenne sie mal, Einbildungsfarben. Wer nachts bei Mondschein auf der Düne sitzt und aufs Meer schaut der befindet sich in einer äußerst emotionalisierten und mystifizierten Situation. Diese animiert eine innere Farbskala und suggeriert
Farben, die nicht wirklich da sind die man aber wirklich zu sehen glaubt. Sie resultieren weniger aus dem Naturstudium, als aus einem Naturerlebnis. Einer Art Sinnestäuschung, denn bei Dunkelheit schaltet das Auge auf einen anderen Modus um – auf den Nachtsichtmodus. Diesen Modus setzt Meinhard Schulte in Malerei um.
Wer den Mond als Thema für die bildnerische Akzentuierung eines sakralen Raumes wählt, darf sich der Ortsbezogenheit gewiss sein, weist der Mond doch vielfältige mythologische und religiöse Bezüge auf, auch im Judentum. Hier steht er bisweilen für periodisch wiederkehrende Geschehen, Wiedergeburt, ab- und zunehmenden Reichtum, auch orientiert sich der jüdische Kalender am Mond. Doch dies soll kein Diskurs über die Bedeutung des Mondes im Judentum sein. Derlei Bezüge sind für Meinhard Schulte sicher auch nicht vorrangig oder gar beabsichtigt, wenn er hier in der ehemaligen Synagoge den Mond aufgehen lässt. Sie ergeben sich eben. Wie überhaupt sich vieles in der Kunst, in der Malerei, und auch in Meinhard Schultes Malerei ergibt, ohne gewollt zu sein. Natürlich spielt der Wille in der Malerei eine große Rolle, doch führt das mühevolle Wollen nicht per se zum Ziel, es kann genauso gut blockieren. Das eigene Wollen ist in der Regel sehr persönlich geprägt, da ist der Zufall etwas objektiver und oft der bessere Maler. Wo fällt der Farbtropfen aufs Bild, wie breitet er sich aus, wie zerfließen Farbüberschüsse, wie verlaufen die Farben ineinander, welche Formen, welche Töne ergeben sich daraus und wie wiederum reagiert der Maler auf diese Geschehen. Die Persönlichkeit steht also der Malerei im Wege? Andererseits resultiert gute Malerei natürlich aus der Persönlichkeit – das ist das Dilemma. Dilemmas scheinen in der Kunst unerlässlich.
Und darum passt Kunst auch so gut an diesen Ort. Ganz gleich ob sie sich direkt mit dessen spezifischer Dilemmatik befasst. Im Gegenteil, solche Bezüge sollten auch nicht zu offensichtlich sein.
Man muss Meinhard Schultes Arbeiten sicher zur Landschaftsmalerei zählen obwohl widersinniger Weise gerade das Land in seinen Bildern fehlt. Es sind nur die flüchtigen Elemente anvisiert. Wasser, Licht und Luft sind jedes für sich schon ziemlich unfassbar. Wer sich mit allen dreien gleichzeitig befasst, der müht sich natürlich mit dem Non-Plus-Ultra der Unfassbarkeit ab.
Dessen muss man sich gewiss sein und daran lässt Meinhard Schulte hinsichtlich seiner Art zu malen keinen Zweifel, dass Malerei niemals das sein kann was sie vorgibt zu sein, sondern letzten Endes nur Malerei ist. Und das zeichnet eine gute Malerei und auch Meinhard Schultes Malerei aus, dass sie zum einen ihrem Thema, ihrem Bildinhalt, gerecht wird, zum anderen unmissverständlich deutlich macht, dass sie nichts weiter ist als Farbe.
Wolfram Heistermann